Für mehr Mitmenschlichkeit im Alltag

Rechtspädagogik

Von der Spaß- in die Rechts- und Verantwortungsgesellschaft

von Sigrun von Hasseln (Hrsg.)

Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Dieter Rössner

und weiteren Beiträgen von Dr. Stefan Büttner-von Stülpnagel, Heidi Christoffers, Almuth Dictus, Prof. Dr. Wolfgang Farke, Prof. Horst Fels, Jens Gnisa, Prof. Wolf-Dieter Hasenclever, Wolf Kahl, Erika Kraszon-Gasiorek, Ulrike Lewandowski, Matthias Markgraf, Wolfgang Rupieper, Roland Schaulies, Monika Sellesk und Claudia Teichardt

1. Auflage 2006. ISBN 3- 8334-3638-7. Paperback 17x22 cm, 636 Seiten.  48,90 €

Über diesen Werkstattband

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Was kann die Kindergärtnerin tun, wenn „ihre“, aus verschiedenen Kulturkreisen stammenden Kinder miteinander Familie spielen wollen, sich aber über nichts einigen können? Kann es trotz des immensen Gewaltpotentials in unserer Gesellschaft gelingen, mit friedlichen Mitteln „eine zivile Ordnung herzustellen, in der alle Menschen wieder lernen, dass sie aufeinander angewiesen sind und dass sie einander brauchen.“ (Richard Sennett) ?

Ja, es kann, so die These dieses Werkstattbandes. Denn mitten in unserem globalen kulturellen, sozialen, politischen, technologischen und wirtschaftlichen Umwälzungsprozess zu Beginn des 21. Jahrhunderts erhält unser modernes Recht eine völlig neue Dimension für unser Zusammenleben. Unser Recht hat wertneutrale, Kulturen und Religionen übergreifende Regelungs-, Koordinierungs-, Ordnungs-, Schutz-, Durchsetzungs-, Friedens- und Überlebensfunktionen (Stufe 1), sowie - auf der Basis der international geltenden Menschenrechte (AEMR) - auch international verbindliche ethisch-moralische Grund-Orientierungsfunktionen (Stufe 2); sog. Zweistufenfunktionstheorie des Rechts. Das Zeitalter des Rechts scheint eingeläutet.

 

Wie aber kann die Erzieherin unser Recht so in den Alltag des Kindergartens transformieren, dass Ali und Sebastian nicht mehr hasserfüllt übereinander herfallen? Wie kann sie beide motivieren, sich gegenseitig als „gleich gute“ Menschen zu achten? Wie lernen „ihre“ Kinder demokratisch abzustimmen, ob die „Ali“-, die „Basti“- oder eine fernöstliche Familie gespielt wird?

Diesen Aufgaben widmet sich die auf den Prinzipien der Vernunft, der Empathie und der Dynamik aufbauende Rechtspädagogik, deren Hauptlerninhalte durch ihr Ziel bestimmt werden: Vermittlung eines wirklichkeitsnahen, ethisch-moralisch hinterfragenden Rechtsbewusstseins von frühester Kindheit an mit hoher sozialer Kompetenz für ein friedliches Zusammenleben in unserer auf Freiwilligkeit angewiesenen offenen, demokratischen und interkulturellen High-Tech-Zivil-Gesellschaft.

 

Sigrun v. Hasseln, Begründerin der Jugendrechtshausbewegung und der Rechtspädagogik, sowie ihre Mitautoren zeigen in einer vielschichtigen Momentaufnahme über interdisziplinäre Aktivitäten rund um die Rechtspädagogik, dass erfolgreiche präventive Arbeit auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens möglich ist.

Prof. Dr. Dieter Rössner in seinem Vorwort: „Der Werkstattband über Rechtspädagogik thematisiert erstmals mit einem spezifischen und darauf konzentrierten Ansatz ein Rechts- und Erziehungsproblem, dessen Bedeutung bisher von beiden Wissenschaftsbereichen kaum erkannt und behandelt wurde. Die traditionelle Distanz der beiden Wissenschaften und deren rein fachbezogene Ausdifferenzierung haben den Blick dafür verstellt, dass einerseits die Rechtsordnung wichtige Erziehungsziele der Zivilgesellschaft und des friedlichen Zusammenlebens enthält und andererseits das Recht nicht per se Geltung erlangt, sondern in einem komplexen Erziehungsvorgang  vom Einzelnen „verinnerlicht“ werden muss, um das Verhalten zu bestimmen. .....

In dem vorliegenden Band findet sich zunächst eine detailreiche und zugleich anregende Analyse zu der Grundfrage, ob die gegenwärtige Rechtsordnung als kongruenter Maßstab für eine daran orientierte Werte- und Erziehungsordnung zu dienen vermag und damit überhaupt als Grundlage zur moralischen Erziehung taugt. Die klar positive Antwort führt zum zentralen Thema des Buches, nämlich wie die äußere Friedensordnung auch zur inneren Handlungsrichtschnur der Menschen werden kann. Der Band enthält dazu erfreulich praktisch orientierte Vorschläge von der Familie über alle gesellschaftlichen Institutionen bis hin zur Justiz, die alle dazu dienen, eine Rechts- und Verantwortungsgesellschaft wachsen zu lassen. Damit liegt erstmals ein Gesamtkonzept für diesen Erziehungsbereich vor, der Theorie und Praxis der Rechtspädagogik etabliert und weit in die Zukunft reicht.

Das Jugendrechtshaus 2000

Orientierungsstätte für junge Menschen in der sozialen Stadt des 21. Jahrhunderts

von Sigrun von Hasseln (Hrsg.)

Mit weiteren Beiträgen von Angela Arlt, Heidi Christoffers, Joachim Dönitz, Alexander Gross, Bernd Guggenberger, Klaus Kleemann, Lothar Koch, Ilona Leu, Roland Makowka, Peter Nacke, Juliane Riese, Lorna Sachal, Horst Viehmann, Rolf Wernstedt und Wolfgang Wulf.

ISBN 3-8311-0402-6. 340 S., Verlag Recht und Gesellschaft, Berlin 2000

Aus dem Inhalt

Kinder rauben Kinder aus, Teenies töten Lehrer, Glatzköpfe hetzen Ausländer in den Tod. Bewahrheitet sich die UN-Prognose für das Jahre 2030? Wird unsere Zukunft von Armut und Barbarei bis hin zur Entzivilisierung geprägt sein? Stehen wir bereits im allgemeinen gesellschaftlichen Zerfallsprozess? Was tun auch gegen Technologiemissbrauch, Umweltdramen, Massenarbeitslosigkeit, Verknappung von Rohstoffen, Terror und Anarchie? Soll der totale Polizei-Überwachungsstaat (Huxley, Orwell & Co.) die Lösung sein? Oder gibt es Wege, um Kindern und Jugendlichen in einem freiheitlichen Staat zu helfen, ihr Recht auf Zukunft in einer multikulturellen High-Tech-Gesellschaft zu sichern?

Durch die Einrichtung von Jugendrechtshäusern könnten jungen Menschen Orientierungshilfen in einer schwierigen Welt gegeben werden. Das Buch beschreibt - vor allem am Beispiel des Cottbuser Jugendrechtshauses -, wie Kinder und Jugendliche ihren Alltag zukunftsorientiert gestalten können, ohne dass es laut, teuer oder strafbar ist. Im Jugendrechtshaus soll interdisziplinär eine ganzheitliche Rechtspädagogik als Ausfluss einer zeitgemäßen Gesamtethik erarbeitet werden. Ihre Inhalte sollen den jungen Menschen von frühester Kindheit an begleiten und die pädagogische Arbeit seiner Erzieher bestimmen. Dabei steht an oberster Stelle die Vermittlung von Rechtsbewusstsein als gesamtgesellschaftliche Basisaufgabe eines demokratischen Rechtsstaats. Das Recht selber, das im Jugendrechtshaus meist im Spaßkostüm erscheint, wird als ordnendes Prinzip der Vernunft und des Zusammenlebens schlechthin verstanden. In ihm fließen alle anderen Prinzipien einer demokratischen Rechts- und Gesellschaftsordnung zusammen und werden koordiniert. Die auf den Prinzipien der Vernunft, der Liebe und der Dynamik aufbauende Erziehung zeigt dem jungen Menschen, dass in erster Linie er selbst für die Situation verantwortlich ist, in der er sich befindet, und dafür selbst die Konsequenzen tragen muss.

Eine so verstandene Erziehung zur Mündigkeit hilft Kindern und Jugendlichen, selbstbewusste, eigenständige und moralisch gefestigte Persönlichkeiten zu werden. Nur eine gefestigte Persönlichkeit aber ist in der Lage, den auf sie heute einwirkenden unterschiedlichsten Gefährdungen zu widerstehen: seien es Verführungen zu Straftaten, zum Drogenkonsum oder zum Kaufrausch; seien es psychologisch ausgefeilte Werbestrategien von Sekten, von rechts- oder linksradikalen Polit-Terrorgruppen, oder sei es „nur“ der Gruppenzwang, „mal eben eine Oma abzuziehen“ oder einen Gullydeckel auf die befahrene Autobahn zu werfen.

Rezension von Prof. Dr. Bernd- Rüdeger Sonnen in Neue Justiz 2001, 418